Ein Kurztrip in die westliche Welt und Vinayaka Chaturthi
- J. Kar
- 17. Sept. 2018
- 7 Min. Lesezeit
Da es in Südindien Blumen gibt, die nur alle 12 Jahre blühen und dieses Ereignis ganz zufällig dieses Jahr ist, beschlossen zwei Mitfreiwillige und ich uns ein paar Tage frei zu nehmen um diese bewundern zu gehen. Schon vor einiger Zeit blockten wir uns also den Zeitraum vom 08.09.2018 bis zum 11.09.2018. Da die Blumen jedoch überwiegend im Bundesstaat Kerala zu sehen sind und diese Region den Monsun in Form einiger Flutopfer stark zu spüren bekommen hat, wurde es uns untersagt in diese Region zu reisen. So kam es dazu, dass wir uns dazu entschlossen auf Bengalore auszuweichen. Da es auf der Strecke Kadapa – Bengalore nur Nachtbusse gibt, entschieden wir uns nach ein paar recht kurzfristigen Buchungen am Abend des 07.09.2018 zu starten.
Schon die Wartezeit auf den Bus stellte sich als abenteuerliche Angelegenheit heraus. Wir wurden vom Tuk Tuk-Fahrer unseres Vertrauens zu einer Straßenecke gebracht, an der wir auf den Bus warten sollten. Da es eben wirklich nur eine Straßenecke war und außer und niemand mit Gepäck unterwegs war, wurden wir immer nervöser, desto näher geplante Abfahrtszeit kam. Nach dem ein paar Passanten uns mehrfach von der einen Straßenseite zur anderen geführt hatten und wir ein durchaus amüsantes Gespräch mit zwei Beamten geführt hatten, kam endlich der Bus und es ging ab in den Urlaub.
Nach 6,5 Stunden Fahrt erreichten wir um 5:30 Uhr morgens unsere Bushaltestelle in Bengalore. Da wir erst um 12 Uhr in unsere Unterkunft konnten und alles andere auch noch zu hatte, überlegten wir bereits im Bus, was wir wohl am besten unternehmen sollten. Als wir aus dem Bus stiegen löste sich unsere Frage in Wohlgefallen auf. Der Bus hielt direkt vor dem Lalbagh botanical garden und wir beschlossen kurzerhand uns bei einem Nutellabrot und guter Laune auf einen Felsen zu setzten, um den Sonnenaufgang zu genießen.
Um noch etwas von dem Tag zu haben, gaben wir unser Gepäck in der Unterkunft ab und machten uns auf die Suche nach einer Mall, um etwas shoppen zu gehen. Nachdem wir in zwei östlichen Malls waren, deren Geschäfte jedoch zu Hälfte noch geschlossen waren, beschlossen wir uns eine westliche Mall zu suchen, da diese frühere Öffnungszeiten hat. In einer Mall mit H & M, Gap und einem Spar vergisst man sehr schnell, dass man gerade in Indien ist. Am Abend wollten wir uns eigentlich in der östlichen Kultur mal wieder jung fühlen, doch weiter als in ein italienisches Restaurant kamen wir nicht. Somit gaben wir uns bereits am ersten Tag eine volle Dröhnung Westen.
Am nächsten Tag besuchten wir einen alten Arbeitskollegen der österreichischen Freiwilligen. Als wir im Auto zu ihm saßen, gingen wir davon aus eine Familie aus mäßigen Verhältnissen zu treffen, doch als wir die großen Tore eines riesigen Wohnkomplexes, welcher mehr an eine Hotelanlage erinnerte, auf uns zu kommen sahen, wurde mir bewusst, dass Indien tatsächlich das Land der Widersprüche ist. Auf der einen Seite Leute die ihre Kinder verkaufen, um ihr eigenes Überleben zu sichern und auf der anderen Seite Villen und Reichtum. Bei einem Gespräch mit unserem Gastgeber ist mir aufgefallen, dass vielen gar nicht bewusst ist, dass Armut in Indien ein sehr präsentes Problem ist. Die Leute gehen davon aus, dass auch die Bewohner der Slums alle Fernseher haben, es ihnen auch sonst an nichts fehlt und sie eigentlich eher auf hohem Niveau jammern. Was mich persönlich ziemlich schockiert hat, dass eine Familie, die in einem 16-stöckigen Gebäude einer riesigen Wohnanlage wohnt, so über den ärmeren Teil der Gesellschaft denkt. Dieses Gespräch hat den Wunsch in mir hervorgerufen selbst einmal einen Slum zu besuchen, um mir selbst ein Bild machen zu können und damit ich ein paar Dingen noch mehr Wertschätzung entgegen bringen kann.

Die Bewohner des Komplexes feierten an diesem Tag „Onam“ (die Geburt eines Gottes), dazu gab es wie zu gefühlt allem hier in Indien eine Veranstaltung, bei dem Tänze aufgeführt und gesungen wurde. Nach der Veranstaltung wurde uns die Anlage gezeigt, welche neben einem riesigen Pool auch einen kleinen Bazar beinhaltete. Anschließend ging es zum Mittagessen zusammen mit allen Bewohnern. Da Onam seinen Ursprung in Kerala hat, gab es traditionelle keralische Speisen, welche auf einem Bananenblatt serviert wurden, was wirklich amüsant war.
Am Nachmittag wollten wir uns eigentlich einen Palast angucken, doch da die Veranstaltung länger ging als gedacht, verschlug es uns auch an diesem Tag in eine Mall. Anschließend starteten wir einen zweiten Versuch uns mal wieder etwas unbeschwerter und jung zu fühlen.
Da wir bereits drei Tage lang unsere Pläne verschoben hatten, wollten wir am Montag in einen Nationalpark. Ironischer Weise war genau an diesem Tag ein Streik in ganz Indien. Somit waren alle Geschäfte zu, keine Autos fuhren und wir durften wegen Demonstrationen unsere Unterkunft nicht verlassen. Somit verging auch der dritte Tag ohne etwas von unserer Liste abzuhaken. Wir verbrachten den Tag mit Stadt, Land, Fluss und dem Cup Song. Abends besuchten wir Sandhyammas Tochter, welche uns zum Abendessen eingeladen hatte. Da wir dort bei Eis und einem leckeren blauen Drink zusammen saßen und unsere Blicke über Bengalore schweifen ließen, schlossen wir auch unseren vorletzten Tag mit westlichen Feeling ab.
Rechts die Unterkunft, links die gegenüberliegende Straßenseite
Am Dienstag Abend sollte es zurück nach Kadapa gehen, also beschlossen wir wenigstens den letzten Tag etwas richtiges zu unternehmen. Nach dem auschecken wollten wir (wer hätte es gedacht) in eine Mall, anschließend in die commercial street, in der es viele Straßenstände und Handel gibt und zum Sonnenuntergang in den botanischen Garten. Da wir bereits in der Mall alles erstanden, was wir uns in der commercial street besorgen wollten, wurde dieser Punkt als erstes gestrichen. Nach ein paar Anrufen des Busfahrers, welcher uns mitteilte, dass wir 1,5 Stunden früher als geplant an der Haltestelle sein sollten, begannen wir zu überlegen auch den letzten Punkt zu streichen und den Urlaub lieber in Ruhe ausklingen zu lassen, als gestresst zum botanische Garten zu hetzen, um diesen nur ca. 45 Minuten genießen zu können. Also verlief auch der letzte Tag nicht nach Plan.
Eines muss an dieser Stelle gesagt werden: Wir haben nur so viel Zeit in den Malls verbracht, weil wir auf der Suche nach einem Pulli waren, was gar nicht so einfach ist in Indien. Außerdem glaube ich, dass jeder von uns mal genau so ein Wochenende gebraucht hat. Um Bengalore nochmal richtig zu erkunden haben wir im grob geplanten Winterurlaub noch genug Zeit.
An der Bushaltestelle angekommen, mussten wir noch eine ganze Weile warten, bis ein kleiner Bus angerast kam, welcher uns zu einer anderen Bushaltestelle brachte, an welcher wir wieder eine kleine Ewigkeit warteten. Der ganze Stress von dem Busfahrer war also völlig unbegründet. Wir waren um 19 Uhr an der Haltestelle und um 22:30 Uhr begann erst unsere Reise.
Anstelle des gebuchten semi-sleeper Busses kam ein normaler sleeper Bus, welcher wirklich stark nach ungewaschenen Füßen roch. Deshalb versuchte ich zu Beginn der Fahrt meine Nase so weit wie möglich aus dem Fenster zu strecken. Dabei beobachtete ich die vorbeiziehenden Häuser. Weitere Gegensätze. Ein kleines unverputztes Haus aus einfachen Backsteinen mit einem wacklig aussehenden Dach. Keine 50 Meter daneben ein 4-stöckiges Haus mit großem Hof und Pool.
Da wir in ein Unwetter fuhren schloss ich das Fenster und versuchte etwas zu schlafen. Der Mann über mir hatte den Regen entweder verschlafen oder sah keine Notwendigkeit darin das Fenster schließen, denn schon nach wenigen Minuten begann es von oben auf mich herab zu tröpfeln. Da es sich wirklich um Starkregen handelte, saß ich bereits eine Stunde auf einer triefend nassen Matratze. Ich versuchte mich so weit an den Rand zu setzten wie möglich, aber bei jedem Huckel setze die Schwerkraft aus und ich wurde durch die Schlafkabine geworfen. Beim Versuch mich festzuhalten schnitt ich mir zu allem Überfluss meine Finger an dem Fensterscharnier auf, was das Abstützen an der weißen Matratze ebenfalls erschwerte. Um vier Uhr morgens war die Tortur, mit glatten drei Stunden Verspätung, endlich überstanden und um fünf Uhr waren wir wieder zu Hause. Aber wegen solchen Luxusproblemen sollte ich mich nicht beschweren, da ich immerhin in dem Bus war.
Als ich Anfang Juli hier in Kadapa ankam, kam es mir nicht arm oder so vor, da es hier alles gibt, was man braucht. Durch Bengalore ist mir aufgefallen, dass Kadapa sehr traditionell, einfach und ländlich ist. Was jedoch auf keinen Fall schlecht ist. Auf diese Weise habe ich die Chance viel mehr der indischen Kultur mitzubekommen, als in einer größeren Stadt.
Außerdem kam der Urlaub genau zur richtigen Zeit, da wir am Montag ein Minimum von 65 neuen Schülern bekommen und somit die 100er Grenze überschreiten. Ob und wann wir neue Lehrer bekommen steht noch in den Sternen, also stelle ich mich auf ein paar anstrengende Wochen ein.

Am Donnerstag war übrigens der Beginn von Vinayaka Chaturthi, ein Festival zu Ehren von Ganesha, dem Elefanten-Gott. Das Festival beginnt damit den Geburtstag des Gottes zu zelebrieren. Man betet den ganzen Tag eine Gottesfigur aus Gips oder Lehm an und opfert dieser Essen. Am Ende des Festivals wird die Statue ins Wasser gelassen, sodass sie sich auflöst. Man kann Vinayaka Chaturthi einen, drei, neun oder zwölf Tage feiern. Die Dauer des Festivals hängt meist vom Budget ab. Um dieses Ereignis mit den Kindern feiern zu können, besuchten wir deswegen am Donnerstag das Village. Dank falscher Informationen verpassten wir das Ritual jedoch. Dass jeder immer etwas anderes erzählt ist auf die Dauer etwas anstrengend, dadurch kann man sich nie sicher sein, richtig informiert zu sein. Glücklicher Weise wurde Vinayaka Chaturthi in unserem Township nicht nur einen, sondern drei Tage gefeiert. Als wir am Samstag auf dem Weg nach Hause waren, kam uns ein Zug aus Menschen entgegen, welcher von einem Traktor mit einer Ganesha-Figur begleitet wurde. Als wir auf die feiernde Masse trafen, hielten sie an, rieben uns gelbes und rotes Pulver ins Gesicht und baten uns darum mit ihnen zusammen zu tanzen. Anfangs war ich skeptisch, doch als die Trommeln einsetzten und uns ein älterer Herr ein paar seiner Dancemoves zeigte, machte es riesig Spaß ein vorübergehender Teil dieser Gesellschaft zu sein.
Erholte Grüße aus Indien
Zia
Vinayaka Chaturthi auf dem Heimweg
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