top of page

Es verspricht ein spannendes Chaos zu werden - die zweite Woche

  • Autorenbild: J. Kar
    J. Kar
  • 22. Juli 2018
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Sept. 2018

Da sich Montag entschieden hatte, dass ich das Projekt „Bridgeschool“ in die Hand nehmen sollte, ging ich am Dienstag Morgen los, um mir das Gebäude anzugucken. Dies tat ich zusammen mit den künftigen zwei Lehrerinnen und den Eltern der Schülern.

Wir landeten in einem Wohngebiet, in dem auch eine der Mitgründerinnen des Aarti Homes lebt. Die Bridgeschool soll im Erdgeschoss eines mehrstöckigen Wohnhaus ihren Platz finden. Die Etage besteht aus einem hallenähnlichen Flur, einer Küche, zwei Räumen und einem kleinen hinduistischen Gebetsraum. Von der Decke hängen Kabel, welche darauf warten an Ventilatoren angeschlossen zu werden. Selbst aus dem staubbedeckten Schrank im Flur kommen lange Kabel.



Eines der Zimmer ist als Büro vorgesehen (lila), damit man alle wichtigen Unterlagen und Geräte sicher wegschließen kann und das andere (blau) als Klassenraum. Die anderen zwei „Klassenräume“ sollen im Flur sein. Damit bin ich jedoch nicht ganz zufrieden, da sich die Schüler auf diese Weise sicherlich noch weniger konzentrieren können. Doch dafür wird sich noch eine Lösung finden lassen, ein paar Ideen habe ich schon, aber ich muss erstmal auf die komplette Einrichtung warten, bevor ich irgendwas umsetzen kann. Denn in der Schule ist nichts. Keine Tafeln, keine Ventilatoren, kein Wasser, keine Stühle und auch keine Tische, vom Unterrichtsmaterial ganz zu schweigen. An sich gar kein Problem, wenn man die Schule dann erst in ein bis zwei Wochen eröffnen würde. Doch die Bridgeschool sollte schon am nächsten Tag beginnen.

Nachdem ich zurück in der Pre-School war, gab es eine kleine Besprechung zur Bridgeschool. Da diese auf Telugu sein sollte, setzte ich mich nach hinten, um niemandem mit Telugu Kenntnissen den Platz zu klauen. Als Sandhyamma und Visalamma (die Mitgründerin, welche neben der zukünftigen Bridgeschool wohnt) eintraten, forderten sie mich jedoch dazu auf, mich mit nach vorne zu setzten. Nicht in die erste Reihe, sondern neben die beiden Höchsten und die High School Direktorin. Also den Eltern gegenüber. Da viele der Eltern jedoch kein Englisch sprechen, stellte Sandyhamma mich auf Telugu vor und erklärte, dass ich nun die volle Verantwortung für Schüler und Schule habe. Als sie mir das übersetzte, musste ich kurz schlucken. 19 Jahre, gerade mit dem Abi fertig und gleich die Verantwortung für diese (meiner Meinung nach) große Sache übernehmen? Denn weder hat die Bridgeschool einen hieransässigen Leiter, noch habe ich eine feste Ansprechperson. In der Projektbeschreibung hieß es „teacher assistant, Ansprechpartner für die Kinder und Hausaufgabenhilfe“, nicht „inoffizielle Leiterin einer indischen Förderschule“. An meiner Eistellung gegenüber dem Projekt änderte sich trotzdem nichts. Es war zwar unerwartet, aber durch aus machbar.

Da ich auch für das Schreiben von z. B. Lehrplänen und Stundenplänen verantwortlich bin, traf ich mich nach der kurzen Besprechung mit den Schülern und Lehrern der in naher Zukunft liegenden Schule. Während ich versuchte den Lernstand auszumachen, fiel mir auf, dass nicht nur die Kommunikation mit den Kindern schwierig werden würde, sondern auch mit den Lehrern. Eine der beiden kann ein paar Brocken unverständliches Englisch sprechen, die andere kann es komplett nicht sprechen, aber ich habe das Gefühl, dass sie mehr versteht, da sie der anderen Lehrerin oft auf Telugu hilft zu verstehen was ich sage (also zumindest glaube ich das). Allgemein ist es mit nur zwei Lehrerinnen schwer, da beinahe alle Kinder die größten Defizite in Englisch haben. Eine Lehrerin unterrichtet jedoch nur Telugu und die andere Telugu und Mathe.

Am nächsten Morgen wurde ich vom Schulbus also in der Nähe der neuen Schule rausgelassen. Als ich in dort eintraf, begann ich damit eine Liste mit fehlenden Dingen zu schreiben und teilte diese Sandhyamma mit. Mit den Lehrerinnen hatte ich zwar ausgemacht, dass sie 30 Minuten vor Unterrichtsbeginn erscheinen, damit ich schon mal meine Pläne mit ihnen besprechen könnte und wir allgemeine Fragen klären könnten, doch da auch diese Pünktlichkeit anscheinend nicht wirklich groß schreiben, kamen sie erst kurz nach Unterrichtsbeginn. Dadurch, dass die Kinder erst in die High School gehen und von da aus mit dem Van zur Bridgeschool gebracht werden, kamen auch diese mit ordentlicher Verspätung an. Ich erklärte den Lehrerinnen während unserer Wartezeit, dass ich gerne ein System mit A- und B-Kursen ausprobieren wolle und bat sie darum, auf die Stärken und Schwächen der Schüler zu achten, um diese besser einteilen zu können. Wie viel sie verstanden haben weiß ich nicht, denn die Besprechung nach der Schule war etwas schwieriger.



Zuvor wurde ich jedoch von dem Fahrer Visalammas abgeholt und zur Aarti School gebracht, da dort Stipendien verteilt wurden. Zu diesem Anlass trugen wir alle unsere neuen Saris. Anschließend begleitete mich einer der Freiwilligen, die schon beinahe ein Jahr hier sind, zur Bridgeschool zurück. Es war das erste Mal, dass ich zu Fuß den indischen Verkehr bestritt. Die Busse, Autos, Motorräder und Tuk Tuks rasten so nah an uns vorbei, dass man nur die Hand ausstrecken hätte müssen um sie zu berühren. Das Überqueren der Straße ist ebenfalls aufregender als in Deutschland. Hier gibt es zwar Zebrastreifen, doch diese dienen nur zu Deko. Also muss man schnell sein und teilweise mitten zwischen den fahrenden Autos stehen bleiben, um freie Bahn zu bekommen.

Die nächsten zwei Tage in der Bridgeschool verliefen eher monoton. Ich schrieb Listen und Stundenpläne, teilte die Gruppen ein und versuchte den Lehrern ein paar grundliegende Dinge ans Herz zu legen. Zum Beispiel, dass Lachen nicht verboten, sondern gesund ist. Und dass ein lachendes Kind nicht geschlagen oder in den Schrank gesperrt gehört. Da Schlagen im Aarti Projekt eigentlich untersagt ist, war ich nicht darauf vorbereitet richtige Schläge mit zu bekommen. Ein kleines Kind mit angsterfüllten Gesicht panisch zurückzucken zu sehen schneidet tiefer ein als gedacht. Seitdem fällt es mir noch schwerer den ohnehin schon anstrengenden Lehrerinnen mit guter Laune entgegen zu treten. Denn nicht nur die Sache mit dem Schlagen führte zu frustigen Momenten, sondern auch, dass eine der beiden Lehrerinnen meinte mitten in Unterricht zusammen mit den Kindern ein Nickerchen zu machen. Es wird also kein einfacher Weg werden, aber leicht wäre ja vermutlich auch langweilig.



Am Donnerstag lud uns Sandhyamma in ein Töpferdorf ein. Es war wirklich spannend den Leuten bei der Arbeit zu zusehen und zu beobachten, wie sie aus einem unförmigen Tonklumpen etwas Schönes und Neues kreierten.


Am Samstag ging es dann endlich mal wieder in die Pre-School. In meinem letzten Eintrag habe ich erzählt, dass alle zwei Samstage Schule ist. Das war eine Fehlinformation, Entschuldigung. Es ist jeden Samstag Schule, außer der 2. Samstag im Monat.

An diesem Samstag sollte es ein Seminar für die Lehrerinnen der ersten beiden Klassen der High School, Pre-School und Bridgeschool geben. Das Thema war kreativer Unterricht. Auch hier hat sich gezeigt, dass es für viele Lehrerinnen noch ein langer Weg ist, aber für die Lehrerinnen der Bridgeschool habe ich ja noch ein Jahr Zeit.

Am Sonntag wollten wir Freiwilligen wieder ins Village gehen um die Mädchen zu besuchen. Doch als wir am frühen Vormittag im Heim eintrafen, war es wie leer gefegt. Da es ein extrem heißer Tag war (der wärmste seit ich hier bin), waren die Kinder Eis essen gegangen. Also blieben wir noch kurz dort und spielten mit den Kindern der Housekeeperin des zweiten Guesthouses, welche uns begleitet hatten.

Ich bin super gespannt auf die nächsten Wochen und wie es in der Bridgeschool mit dem Material, den Lehrerinnen und den Schülern weiter geht.


Hoffungsvolle Grüße aus Indien

Jadzia







Comments


bottom of page