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  • AutorenbildJ. Kar

Jedes Ende ist ein neuer Anfang

(Hey, ich möchte nur schonmal am Anfang darauf hinweisen, dass ich immer noch in einem Verarbeitungsprozess stecke und meine Worte deswegen vielleicht nicht für jeden verständlich und nachvollziehbar sind. Da ich jedoch versuche den Eintrag nicht von meinen Emotionen, sondern von meiner subjektiven Objektivität leiten zu lassen, welche jedoch zum Teil mit meinen Emotionen im Konflikt stehen, könnte es an manchen Stellen ein kleines hin und her werden. In diesem Fall bitte ich um Entschuldigung!)


Nun bin ich schon eine ganze Weile wieder zurück in Deutschland und habe begonnen in Freiburg zu studieren. Indien und mein Fernweh begleiten mich immer noch, aber ich habe gelernt etwas besser damit umzugehen und es zu verarbeiten. Genau deswegen hatte ich eigentlich gar keine Lust dazu gehabt am 28. November meinen Koffer zu packen und nach Kiel zum Nachbereitungsseminar zu fahren. Ich dachte, dass so nur alles wieder hochkommen und die sich gerade schließende „Wunde“ wieder aufgerissen werden würde. Doch zu meiner Überraschung sollte es ein bisschen anders kommen.

Ich machte mich am Donnerstagmorgen auf den Weg nach Kiel. Bereits am Freiburger Hauptbahnhof traf ich eine Südafrika-Freiwillige von KulturLife, die das gleiche Ziel hatte. Wie wir nämlich schon kurz vor meinem Umzug hierher festgestellt hatten, studiert auch sie lustiger Weise hier.

Auf dem Weg weiter in den Norden trafen wir noch einige andere Freiwillige, sodass wir schon etwas Zeit hatten uns auszutauschen und die Stunden im Zug wie im Nu vergingen.

Als wir, nach einem Tag der Reise, in der Jugendherberge in Kiel ankamen, waren die meisten bereits schon angereist und wir fingen relativ schnell mit dem Seminarprogramm an. Zu Beginn wurde uns erst einmal der Seminarplan präsentiert und wir besprachen die verschiedenen Erwartungen, die wir an das Seminar hatten. Nach dem Abendessen sollte jeder von uns einen mitgebrachten Gegenstand aus dem Gastland (Ecuador, Ghana, Südafrika und Indien) der Gruppe präsentieren. Dabei habe ich erste spannende Eindrücke von den anderen Freiwilligen erfahren dürfen. Bereits an diesem ersten Abend merkte ich, wie cool es war alle nach einem Jahr voller unterschiedlicher Erfahrungen wiederzusehen und teilweise festzustellen, wie sich so manch einer verändert hat.

Am nächsten Tag ging es zum Einstieg erst einmal um Perspektivenwechsel. Dabei wurden wir in Gruppen eingeteilt und sollten zusammen die Sicht eines Organs des weltwärts-Programmes versuchen einzunehmen. Bei den Präsentationen der Gruppen gab es nicht nur Interessante Informationen, sondern auch das ein oder andere verblüffende Gedicht oder sogar Rap. Im Kontext des Perspektivenwechsels wurde uns anschließend die Chance gegeben Feedback abzuliefern.

Nach einer Pause kam dann das Thema „Rückkehr und Wiedereinleben“. Dabei sammelten wir Ideen und Tipps dazu wie man einem „Reversed Kulturschock“ (dem „Schock“, wenn man zurückkehrt) entgegenwirken könnte. Bis zu dieser Einheit hatte ich immer gedacht, dass ich irgendetwas falsch gemacht hatte. Denn ich habe keinen „Kulturschock“ in Deutschland wahrgenommen und durchlebt. Auch dachte ich immer, dass ich vielleicht etwas zu wenig bezüglich meines Wiedereinleben getan hatte, da ich in den ersten Monaten in Deutschland gedanklich und vor allem emotional noch völlig in Indien hing. Doch in dieser Einheit habe ich gelernt, dass es einfach kein richtiges oder falsches Verhalten gibt. Alles was wir besprochen haben (z.B. sich viel vornehmen, nicht alleine sein, sich eine neue Aufgabe suchen, …) habe ich in meinen ersten Monaten tatsächlich getan und das war auch gut so. Eine Ehemalige, welche unser Seminar begleitete, erzählte uns, dass auch sie ihr Auslandsjahr noch nicht so ganz verarbeitet habe, welches schon etwas weiter in der Vergangenheit liegt. Ich freue mich also schon auf die kommenden Jahre, die ich verfolgt von Indien in der Uni in Deutschland verbringen werde :D.

Beim Vorbereitungsseminar haben wir eine Bucketlist erstellt, mit Dingen, die wir im Einsatzland vorhatten zu tun. Diese lösten wir am Abend auf und ich bin echt froh, dass die Mädels im Aarti Village so viel Interesse daran hatten, mir etwas Telugu beizubringen und wir so oft zusammen getanzt hatten, sonst hätte ich meine Punkte gar nicht erfüllt. Anschließend erstellten wir ein neues Ranking unserer „Most likley to“-Liste und verglichen diese mit der vom Vorbereitungsseminar. Wir hatten vor mehr als einem Jahr besprochen, dass jeder Freiwillige einem anderen ein Armband aus seinem Einsatzland mitbringt. Zur Krönung des Abends tauschten wir also unsere Armbänder, in gemütlicher Atmosphäre, aus.

Um etwas Abwechslung in den Tagesablauf zu bringen, gingen wir am nächsten Tag, nach der ersten Einheit zur Selbstreflexion, in der es unter anderem um Selbst- und Fremdeinschätzungen ging, eine Runde bowlen. Anschließend daran stand dann die zweite Einheit zur Selbstreflexion an. Abends gab es ein breites Angebot wie z.B. basteln oder die Berechnung des eigenen ökologischen Fußabdrucks.

Ich hatte schon seit Seminarbeginn das Gefühl gehabt, dass sich irgendetwas anstaute und ich weiß nicht genau was es war, aber irgendetwas wurde an diesem Tag durch die Einheiten bei mir losgetreten, sodass es in der Nacht zu einem kleinen Ausbruch der Emotionen kam. Ich sagte ja bereits, dass ich noch irgendwo in der Verarbeitung stecke, zu diesem Zeitpunkt noch mehr als jetzt. Tatsächlich fühlte ich mich nach dieser Nacht unglaublich befreit, so als ob lange Zeit ein Stein auf mir gelastet hätte, welcher nun weggenommen worden wäre und ich endlich wieder frei atmen könnte.

Am nächsten Tag ging es dann etwas übermüdet und mit neuer Motivation an die Einheiten „Spenden“ und die letzte Einheit zur Selbstreflexion, bei der wir wieder einen Brief an uns selbst in einem Jahr geschrieben haben. Beim Thema ‚Spenden‘ ist mir nochmal bewusst geworden, dass mein Spendenkonto zwar schon gut gefüllt, aber eben noch lange nicht am Ziel ist. Da manche Freiwillige das Spendensammeln besser drauf haben als ich, haben viele schon mehr als erwartet beigesteuert, sodass wir auf die Gruppe gerechnet bereits 78% der Kosten gedeckt haben. Nun fehlen noch die letzten 22%, was sich auf ca. 600 Euro pro Freiwilligen beläuft. Falls du also Interesse daran hast das weltwärts Programm zu unterstützen und auch Freiwilligen nach mir eine so überwältigende Erfahrung zu ermöglichen, wäre es toll, wenn du dich finanziell beteiligen würdest!

(Weitere Infos dazu findest du in der Menüleiste unter ‚Spenderkreis‘.)

Nachmittags ging es dann um globales Lernen im Bezug auf Privilegien und es gab eine offene Diskussionsrunde über Themen wie Sexismus, Kritik an weltwärts und Gewalt im Einsatzland. Dabei ist mir aufgefallen, dass viele von uns in manchen Dingen ähnliche Erfahrungen gemacht haben, in manchen aber auch komplett unterschiedliche.

Am nächsten Tag gab es wieder eine Einheit zum globalen Lernen. Begonnen haben wir mit dem Thema ‚Rassismus‘. Dazu sind wir in zweier Gruppen zusammen gekommen und haben uns ein bisschen gegenseitig interviewt und uns über unsere Erfahrungen mit Rassismus im Einsatzland, aber auch in Deutschland, ausgetauscht. Die Ergebnisse dieses Gesprächs waren sehr interessant und teils auch ziemlich gegensätzlich (ich habe mit jemandem geredet der in Ecuador war).

Nachdem wir noch eine Weile im Plenum über Rassismus diskutiert hatten, kamen wir zu dem Thema ‚Engagement nach der Rückkehr‘, auf welches ich mich schon sehr gefreut hatte. Wir hatten die Möglichkeit erst einmal verschiedene Probleme und Lösungsansätze zu sammeln.

Anschließend haben sich Gruppen gebildet um sich speziell mit einer Idee auseinander zu setzten. In meiner Gruppe wurde über einen „Lernbus“ sinniert und wie man diesen ermöglichen könnte. Nachdem alle Gruppen ihre Konzepte vorgetragen hatten, stellten sich noch ein paar Vertreter verschiedener Organisationen vor, welche die Möglichkeit bieten sich zu engagieren.

Und schneller als gedacht kam dann auch schon der kulturelle Abschlussabend. Schon die Tage zuvor hatten sich die verschiedenen Ländergruppen getroffen, um zu planen, wie sie ihr Einsatzland an diesem Abend präsentieren könnten. Da Birthe leider nicht beim Seminar sein konnte, blieben zwei andere, die im Norden Indiens in der Shishya Society waren, und ich, um Indien zu vertreten. Wir eröffneten den Abend auch direkt damit die indische Nationalhymne zu singen und hatten dann noch drei kleine Aktivitäten geplant. Wir spielten zum Beispiel Spiele, die uns die Kinder in Indien beigebracht hatten. Nach uns kam Ecuador mit einem interessanten Quiz dran. Außerdem hatte die Gruppe Chicha (Spuckebier) vorbereitet, die sie mit uns teilte. Es hat zwar etwas Überwindung gekostet das wirklich zu trinken, aber eigentlich war es ganz lustig und besser als gedacht. Auf Ecuador folgte Ghana. Die Gruppe tanzte etwas vor und versuchte anschließend eine unterrichtsähnliche Situation darzustellen. Zum Abschluss kam Südafrika dran, welche uns mit akzentreichem Englisch begrüßte. Auch sie hatten Spiele vorbereitet.

Nachdem das Programm fertig war, wurden noch Bilder aus allen Ländern in einer Diashow präsentiert. Da am nächsten Tag ein Freiwilliger Geburtstag hatte, wurde pünktlich um Mitternacht eine selbst umgeschriebene Version von ‚Ein Kompliment‘ von der versammelten Mannschaft zum Besten gegeben. Auch der restliche Abend verlief, trotz seiner melancholischen Züge wegen des bevorstehenden Abschiedes, feierlich schön.

Am nächsten Tag bekam jeder von uns noch sein Zertifikat und somit war das offizielle Ende unseres weltwärts Jahres gekommen.


Auch wenn ich keine Lust auf das Seminar gehabt hatte, habe ich gemerkt, wie gut es mir eigentlich nochmal getan hat. Die Themen waren spannend und ich konnte nochmal aus einer anderen Perspektive auf manche Dinge schauen. Außerdem habe ich durch das Seminar und den Input jetzt wieder richtigen Tatendrang. Und wenn alles klappt, wird das jetzt nicht das Ende einer mega guten Zeit sein, sondern erst der Anfang.

Zum Beispiel bin ich jetzt zu Nikolaus zusammen mit der anderen Freiwilligen, die hier in Freiburg wohnt, und einer Tasche voll kleiner Päckchen mit selbstgebackenen Keksen, dem ein oder anderen netten Spruch und einem selbstgebastelten Papierstern losgezogen, um auch den Leuten, die nicht ganz so viel haben eine kleine Freude zu machen. Wir werden die Aktion auf jeden Fall in ein paar Tagen noch einmal wiederholen.

Ich habe mir nochmal vergegenwärtigt, dass man immer viel machen will, aber meistens nicht mal die Hälfte davon macht, weil man es sich nicht traut, denkt man sei dazu nicht berechtigt oder gut genug oder sonstiges. Aber wer entscheidet das denn? Nur du selbst! Also möchte ich dir an dieser Stelle Mut zu sprechen, einfach mal zu machen und zu sehen was das bewirkt. Denn was kann schon schlimmes passieren?


Ich wünsche dir eine wunderschöne Weihnachtszeit, ich hoffe du freust dich schon genauso sehr wie ich darauf.

Liebe Grüße aus Freiburg,

Jadzia


P.s. Ich bin gerade dabei eine Galerie zu erstellen, die hoffentlich dann bis Weihnachten online ist! Wenn du über den Upload informiert werden möchtest, kannst du dich einfach schnell in die Mailing-Liste eintragen oder mir persönlich bescheid geben.



Hier noch die restlichen Bilder vom Seminar (Beschreibung unter der Collage):

Von links nach rechts (von der Desktop-Ansicht ausgehend)

Erste Reihe:

1. Ausarbeitung verschiedener Konzepte zum Thema 'Engagement'

2. Danksagung an unsere Beteuer von KulturLife beim Abschlussabend

3. Ausarbeitung verschiedener Konzepte zum Thema 'Engagement'

4. Vorbereitung der Chicha (kauen und spucken)


Zweite Reihe:

1. Mein Zertifikat

2. Auf dem Heimweg ein kurzer Zwischenstopp auf dem Hamburger Weihnachtsmarkt

3. India Group


Dritte Reihe:

1. Beim Abschlussabend

2. Auf dem Heimweg

3. Blick von der Jugendherberge aus

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