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Von gelben Füßen und roten Punkten

  • Autorenbild: J. Kar
    J. Kar
  • 27. Aug. 2018
  • 4 Min. Lesezeit

Diese Woche gab es zwei Feiertage. Der erste war am Mittwoch und hat muslimischen Ursprung. Der zweite war Vara Lskhsmi Vhratham am Freitag. Es ist ein hinduistischer Feiertag, bei dem die Göttin des Reichtums geehrt wird. Zu diesem Anlass wurden die Interns aus Amerika und wir restlichen Freiwilligen von Sandhyamma zu sich eingeladen.

Als wir am frühen Morgen bei ihr eintrafen, war sie gerade am Beten und lud uns dazu ein sich ihr während den Ritualen anzuschließen. Sie drängte uns nicht zu ihren Göttern zu beten oder sonstiges. Ihr Ziel war es uns eine ihrer Traditionen näher zu bringen und zu erklären.

Als wir in den kleinen Gebetsraum eintraten, saß Sandhyamma im Schneidersitz vor einem kleinen Schrein. Dieser bestand aus einer Gottesfigur, Blumen und einer Vielzahl von Bildern. Vor dem Schrein befanden sich die geopferten Gaben. Es waren die verschiedensten Speisen, die sich auf großen Blättern eines speziellen Baumes befanden. Daneben stand ein Computer der an Lautsprecher angeschlossen war. Über ihn wurden Gebete und Geschichten abgespielt. Ich vermute, dass es mit einer Gottesdienstübertragung vergleichbar ist.

Kurz nach unserer Ankunft wurde jedem rotes Pulver ins Gesicht getupft und es wurde gelber Reis ausgeteilt, welchen man auf die Gottesfigur werfen sollte. Der Reis soll eine Art Segen symbolisieren. Anschließend wurden uns die Füße mit einer gelben Paste eingerieben. Dieses Ritual soll die positive Energie aus unserem Körper freisetzen und uns reinigen. Laut einer High School Schülerin sind die Füße im Hinduismus nämlich die Körperteile, welche die meiste Energie haben und ausstrahlen. Dieser Akt ist jedoch nicht nur an diesem Feiertag Brauch, sondern auch bei anderen Anlässen wie zum Beispiel einer Hochzeit. Ich habe es bei einer indischen Hochzeit bereits gesehen, dort wurden dem Brautpaar jedoch nicht die Füße eingerieben, sondern das Gesicht.

Die Gebetszeit endete damit, dass jeder der wollte eine Blume in den Schrein legte und entweder ein kurzes Gebet sprach oder sich einfach etwas wünschte.

Nach dem traditionellen Ritual standen wir alle mit gelben Füßen und roten Punkten auf der Stirn in Sandhyammas Wohnzimmer. Da es die letzten Stunden für die Amerikaner war, hielt Sandhyamma eine kurze Ansprache für sie und verteilte anschließend Abschiedsgeschenke an sie. Aufgrund dessen, dass Tag des Reichtums war, bekamen auch wir Freiwilligen jeweils eine Perlenkette geschenkt. Es ist jetzt schon das zweite Geschenk von Sandhyamma und so langsam bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Aber da ich von dem Projekt nicht bezahlt werde, möchte sie damit vermutlich nur ihre Dankbarkeit mir und den anderen beiden Freiwilligen entgegenbringen.

Neben den Ketten bekam jeder von uns einen Faden an dem ein zusammengerolltes Blatt befestigt war, um das Handgelenk gebunden. Erst wurde mir erzählt, dass es eine Art Freundschaftsarmband sein soll, später wurde jedoch erklärt, dass es ein Segenswunsch auf ein Leben in Reichtum ist. Irgendwie ironisch, da ich dieses Leben in Deutschland bereits führe. Nur weil man sich nicht das teuerste Handy, den besten Schmuck oder jeden Kinobesuch leisten kann, heißt es noch lange nicht, dass es einem an etwas fehlt und man nicht von Reichtum gesegnet ist. Die Meisten in Deutschland führen ein Leben in dem sich Reichtum nicht nur durch Geld, sondern auch durch Liebe, Freundschaft, Reisen, Freiheit und Unbeschwertheit ausdrückt.

Da die anderen über Bangalore ihre Heimreise antreten wollten, beschloss Sandhyamma sie zu begleiten und ihre Tochter, bei der ich in meiner ersten Nacht in Indien geschlafen habe, zu besuchen. Da Sandhyamma wollte, dass wir zum Mittagessen noch bei ihr bleiben, ihre Abreise jedoch früher stattfand, blieben wir alleine in ihrem Haus zurück. Nicht alleine, aber eben ohne die Hausbesitzerin. Im Aarti Home finden nicht nur Mädchen und Frauen einen Platz. Auch Jungs aus schlimmen Verhältnissen werden in der Familie begrüßt, wenn sie jedoch zu alt werden um mit den Mädchen zusammen zu leben, ziehen sie zu Sandhyamma ins Haus. Somit blieben wir mit den Jungs zurück, von denen übrigens zwei die Creative-School besuchen. Als wir mit den Jungs an der Straße standen um alle zu verabschieden, kam Sandhyamma zu mir und sagte mir, dass wir uns in zwei Tagen wieder sehen würden. An sich ist das keine große Sache, aber die Worte und die Tatsache „alleine“ in ihrem Haus zu bleiben haben mich dazu gebracht mich in diesem Moment auch wie ein kleiner Teil ihrer riesigen Familie zu fühlen. Allgemein werde ich im Umgang mit ihr immer entspannter. Am Anfang war ich immer extrem nervös und aufgeregt wenn ich mit ihr redete, sie strahlt zwar einfach nur Güte und Nächtenliebe aus, aber trotzdem habe ich vor ihr und ihrem Werk extrem viel Respekt und bewundere sie.


Während ich das geschrieben habe, musste ich ein paar mal nach den deutsche Wörtern suchen, da mir nur die Englischen einfallen. Obwohl ich erst knappe zwei Monate hier bin, ist mein Englisch schon deutlich selbstsicherer geworden und schleicht sich teilweise in meine deutschen Sätze ein. Sollten sich meine Einträge also grammatikalisch verschlechtern, möchte ich hiermit vielmals um Entschuldigen bitten. Zum einen habe ich den Kopf immer bis oben hin voll mit anderen Dingen und zum anderen hat eben das Englischsprechen keinen geringen Einfluss darauf.


Bunte Grüße aus Indien

Zia



An Vara Laskhsmi Vhratham auf Sandhyammas Balkon. Links die halbjährige Freiwillige aus Österreich, daneben Sandhyamma und rechts Birthe und ich.





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Darf ich vorstellen? Das ist Freddy das Müllmonster! Unser aktuelles Projekt in der Umwelt AG ist das Bauen von Mülleimern und dieser hier ist unser Testlauf.

Er besteht lediglich aus alter Zeitung, ein bisschen Klebeband, selbstgemachten Kleister aus Mehl & Wasser und etwas Farbe.








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Die anderen beiden Freiwilligen und ich haben uns vorgenommen eine Wand im Aarti Village zu gestalten. Der Plan ist es die Wand erstmal weiß zu grundieren und anschließend einen Baum zu malen bei dem die Blätter aus bunten Handabdrücken der Kinder bestehen.










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Hier wird nicht nur der Alltag nicht langweilig, sondern auch die Frisuren :D.

Ich bin schon jetzt ein Fan von den Blumen im Haar, weil man durch immer den tollen Geruch einer Blumenwiese um sich hat. Da man hier ansonsten beinahe die ganze Zeit schlechte Gerüche um sich herum hat, ist das eine sehr angenehme Abwechslung.

2 Kommentare


hesse-andreas
15. Sept. 2018

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hesse-andreas
15. Sept. 2018

Ich finde es immer wieder klasse wie schön bildhaft du deine Erlebnisse spiegeln kannst und mich dann völlig in deine Realität mitnimmst. Deine Projekte sind einfach Spitze und so einen Mülleimer wünsche ich mir auch für die Gemeinde. Aber irgendwie ist es nicht weiter gegangen und nun hoffe ich auf den nächsten Blog.

Bin gespannt was du zu berichten hast und welch tollen Fotos wir aus deiner neuen "Heimat auf Zeit" schicken wirst.

Viel Spass euch allen und einen erfüllten Dienst im Namen Jesu Christi!!! Toll was ihr dort auf die Beine stellt!!!


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