Von Umzügen und erstem Alltag - die dritte Woche
- J. Kar
- 29. Juli 2018
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Feb. 2019
Da es mit der Lage der derzeitigen Bridge-School einige Probleme gab, wie z.B. dass sich viele Kinder abgeschoben fühlten, sie aufgrund des Transports immer zu spät kamen, die Lehrer keinen Zugriff auf Material aus der schuleigenen Bücherei hatten und noch sehr viel mehr, erstellte ich am Samstag eine Liste mit Gründen, warum es meiner Meinung nach besser wäre die Bridge-School in den Aarti School-Komplex zu integrieren. Meine Überlegung war es, dass „Lalitha Coop.“ (eine kleine Schneiderei in der Schule, welche das Ziel hat, Hausfrauen ein paar Skills beizubringen, um ihnen finanzielle Unabhängigkeit von ihren Männern zu gewährleisten.) und die Bridge-School ihre Räumlichkeiten tauschen, da ich keine notwenige Verbindung zwischen einer Schneiderei und einer Schule sah. Als ich mich mit meinem Anliegen und der Liste an Sandhyamma wandte, lehnte diese ohne zu zögern ab. Ihre Begründung war, dass Lalitha Coop. schon 18 Jahre an diesem Ort sei und man es deshalb auch nicht ändern könne. Es war ehrlich gesagt ein ganz schöner Tiefschlag. Gerade mal zwei Wochen da und schon zu hohe Forderungen gestellt? Konnte man denn überhaupt etwas bewegen, wenn Anliegen mit solchen Argumenten abgelehnt wurden? Diese Gedanken ließen die Motivation etwas schwinden, trotzdem überlegte ich mir wie ich mein Ziel doch erreichen könnte, denn die Liste mit Gründen war lang und alle davon lagen mir wirklich am Herzen. Vor allem wollte ich mich nicht mit einer solchen Aussage abspeisen lassen.
Als ich nach einem langen Montag in der Bridge-School, zusammen mit allen anderen Volunteers, beim Abendessen saß und weiter über meinen nächsten Schritt nachdachte, klingelte es an der Tür. Es war Sandhyamma, welche sich über den Stand der Dinge bei uns erkundigen wollte. Sie fing mit dem Erfragen bei mir an und noch bevor ich richtig Bericht erstatten konnte, teilte sie mir mit, dass sie sich noch einmal alles durch den Kopf gehen lassen und sich die Liste noch einmal genauer angeschaut hatte. Sandhyamma erklärte mir also, dass die Bridge-School zwar nicht den Platz mit der Lalitha Coop. tauschen könne, wir jedoch deren Trainingsraum nutzen könnten und dieser dann in das Wohngebiet zieht. In diese Erläuterung wob sie das ein oder andere Kompliment ein, was mir meine Zweifel sofort vertrieb. Dem restlichen Gesprächen mit den anderen konnte ich nicht mehr wirklich folgen, da ich immer noch so überwältigt von meinem ersten kleinen Sieg war. Anscheinend wird also doch Wert auf andere Meinungen gelegt.
Von neuem Mut erfüllt wollte ich am Dienstag gleich die neuen Räumlichkeiten anschauen gehen, doch wegen eines Generalstreiks fiel sowohl die Schule, als auch der Transport dorthin aus. Somit ergab sich ein Tag zum spontanen Entspannen. Nach ein paar Hausarbeiten und kurzer Reiseplanung ging ich mit ein paar anderen Freiwilligen zum Village.
Am Mittwoch konnte ich dann endlich die neue Bridge-School erkunden gehen. Sie besteht aus einem großen Raum, in dem jedoch noch die ganzen Nähmaschinen von der Lalitha Coop. stehen. Ich hoffe wirklich, dass sie bald umgezogen werden, denn es kommt täglich ein Mitglied der Lalitha Coop. vorbei um mir zu predigen, dass die Kinder die Maschinen nicht berühren dürfen. Es ist jedoch gar nicht so leicht darauf alleine zu achten, da wir immer noch täglich Zuwachs bekommen und die Anzahl der Schüler innerhalb einer Woche von 12 Kindern auf 27 gestiegen ist. Seit wir im Aarti Komplex sind, denken viele Lehrer (von Nursery bis High School), dass sie jetzt einfach alle lernschwachen oder sehr aktiven Kinder zu uns schicken können. Trotz dieser zwei kleinen Nachteile halte ich den Umzug für eine richtige Entscheidung.
Da die Lehrer, trotz mehrfachen Bitten und alternativen Vorschlägen meinerseits, nicht wirklich Struktur in den Unterricht bringen, soll ich mich leider in manche Bereiche mehr reinhängen als mir lieb ist. Es werden häufig nur drei bis vier Schüler unterrichtet, während der Rest in der Ecke sitzt, sich unterhält, sich schlägt oder schläft. Das ist noch ein Grund warum sich dieser einzelne Raum als besser bewährt hat, als die beiden kleinen Räume. Momentan bin ich den kompletten Tag in der Bridge-School, somit kann ich neben meiner Arbeit viel mehr Einblick in den Unterricht nehmen und bei manchen Dingen helfen. Das schadet zwar ziemlich oft meinem Blutdruck, aber für das Projekt ist es glaube ich gar nicht so verkehrt.
Dieser Samstag sollte der erste Activity Saturday für die Bridge-School sein. Für diese bat ich die Lehrer (wie für jede andere Stunde) sich vorzubereiten und etwas lockeres und aktives mit den Kindern zu machen. Da eine der Lehrerinnen gar nicht erst auftauchte, setzte ich all meine Hoffnung in die anwesende Telugu Lehrerin. Nach 15 Minuten, offensichtlich improvisierter, Reise nach Jerusalem mit 5 Stühlen und somit 5 von 27 Schülern, setzte sich die einzig anwesende Lehrerin zur Ruhe. Ich bin mir noch nicht sicher, ob es am kommunikativen Verständnis liegt oder ob es etwas mit dem Charakter einer Person zu tun hat, denn bis jetzt verlief beinahe jeder Tag sehr ähnlich. Das ist zum Beispiel so ein Bereich, in den ich mich eigentlich gar nicht reinhängen wollen sollte. Denn ich habe selbst noch nicht studiert oder sonstiges, aber trotzdem sehe ich mich gezwungen, die teilweise 2,5 mal älteren Lehrerinnen auf ihre Fehler hinzuweisen.
Da für diesen Samstag also nichts weiter für die verbleibenden sieben Stunden geplant war, beschloss ich die Sache in die eigene Hand zu nehmen. Also spielte ich mit den Schülern (eher unfreiwillig) Tauziehen ohne Tau. Zwei Leute stehen in der Mitte und halten sich an einer Hand fest. Die restlichen Mitspieler verteilen sich auf beide Seiten und bilden mit den mittleren beide eine Kette. Dann wird wie beim traditionellen Spiel gezogen. Der einzige Unterschied ist also nur, dass die beiden in der Mitte quasi das Tau darstellen. Natürlich durfte ich ein Teil des Taus sein und die Kinder sind wirklich stärker als sie aussehen. Trotz dem Durcheinander machte es doch erstaunlich viel Spaß. Anschließend besorgte ich andere Spiele und verbrachte einen lustigen und wirklich schönen Tag mit den Schülern. Denn trotz ihrer Probleme sind es alle wirklich aufgeweckte und liebenswerte Kinder, die teilweise nur einfach einen Kuschler brauchen… oder ein Pflaster. Seit dem Umzug bin ich jeden Tag mit Kindern im Office der Pre-School gelandet, da dort der Erste-Hilfe-Kasten ist. Bisher waren es überwiegend entweder kaum versorgte Fußverletzungen, welche bereits infektiös wurden oder auf interessante Art verarztete Wunden. So hatte ein Schüler beispielsweise um seinen gerade heilenden Fuß Haare gewickelt. Von wem und wieso weiß ich bis heute nicht, aber es ist doch auf eine nicht ganz so appetitliche Weise interessant, was hierzulande als Heilungsmittel verwendet wird.
Am Sonntag ging ich wieder ins Village die Mädchen besuchen. Anschließend machte ich mit ein paar anderen eine Mini-Wanderung zu einem nahegelegenen Tempel. Dieser an sich war, aufgrund seiner verschlossenen Toren, eher uninteressant. Aber die Natur und Umgebung waren echt traumhaft. Die Geräuschkulisse der Menschheit war vollkommen verstummt, sodass sich die Natur Gehör verschaffen konnte. Ich glaube ich werde von nun an mindestens einmal im Monat dort hin gehen.
Nicht nur die Bridge-School ist diese Woche umgezogen. Birthe und ich sind am Freitag in das Zimmer gezogen, welches eigentlich für uns vorgesehen war. Dadurch, dass wir hier jedoch so viele Freiwilligen waren, mussten wir uns etwas gedulden.
Motivierte Grüße aus Indien
Zia
Da am Donnerstag der Van seinen Geist aufgegeben hat, wurde es Zeit für die erste Fahrt mit einem Tuk Tuk.

Das Aarti Home/Village
Der Ausflug zum Tempel
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